Wer etwas auf ostfriesische Brauchtümer hält, für den ist Silvester ohne Speckendicken kein richtiges Silvester. Die herzhaften Pfannkuchen mit der würzigen Süße sind ein echtes Kultgericht. Traditionell gebacken mit Wurst und Speck sind sie die perfekte Grundlage für eine lange Silvesternacht. Mein Geheimtipp: Serviere die Speckendicken mit einer kräftigen Käsesauce.
Essen und Lebensart – sie sind untrennbar miteinander verbunden. Die Spezialitäten einer bestimmten Gegend sagen immer sehr viel über die Menschen, die dort leben. Hier in Ostfriesland ist das genauso. Unsere Teetradition und die Grünkohl-Kultur im Winter sind der kulinarische Ausdruck der Gemütlichkeit und Geselligkeit. Da braucht man keine Worte. Das erschließt sich auch so.
Etwas Spezieller ist ein alter Silvesterbrauch, den auch viele junge Ostfriesen nicht mehr kennen: Das traditionelle Speckendicken-Essen an Silvester.
Ein Muss am 'Alljoohrsdach'
„Specken … waaas?“ – Das ist die typische Reaktion, wenn Nicht-Ostfriesen davon zum ersten Mal hören. Mein Kollege Henning Buß hat Freunde in Süddeutschland gefragt, ob sie wissen, was Speckendicken sind. Und er hat einige sehr lustige Antworten bekommen:
Freund 1:
„Dicken oder Kieken? Also 'Speck n Kieken' wäre auf jeden Fall was zum Kochen, weil 'Kieken' bestimmt kochen ist.
Freund 2:
„Speck in Datteln oder Speck im Teig.“
Freund 3:
„Das muss irgendwas mit Sprechen zu tun haben.“
Damit alle Nicht-Ostfriesen – und möglicherweise auch jüngere Ostfriesen – unter euch nicht länger im Dunkeln tappen, löse ich jetzt das Rätsel auf: Speckendicken, das ist eine ostfriesische Pfannkuchen-Spezialität, mit oder auch ohne Mettwurst, Schinken und Speck gebraten. Eine super leckere – und wie ihr euch denken könnt auch sehr gehaltvolle Sache – und damit das perfekte Essen vor der Silvester-Party.
Auch mal zu viel des Guten
Speckendicken enthalten alles, was der Mensch zum Leben braucht: Eiweiß, Fett, Kohlehydrate. Und davon jeweils reichlich. Der Name ist kein Zufall – der Name ist Programm. Wer auch an Fest- und Feiertagen auf die Figur achtet, der wird bei einem Speckendicken-Essen keinen Spaß haben. Aber ganz ehrlich: Auch wenn mir eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig sehr ist – zu Weihnachten und Silvester darf es von allem gerne etwas zu viel des Guten sein. Da will ich schlemmen und traditionelle Gerichte genießen. Viele koche ich nach alten Rezepten meiner Großmütter – definitiv das Gegenteil von Low Carb und gesunden Fetten.
Speckendicken sind ein echtes Kultgericht. Besonders verbreitet sind die deftigen Pfannkuchen im südlichen Ostfriesland, in Rhauderfehn, Leer und im Rheiderland. Dort laden die Vereine, die sich um die historischen Windmühlen kümmern, aus alter Tradition zum gemeinsamen Speckendicken-Essen am Jahresende ein.
Das Rezept variiert von Region zu Region, selbst von Familie zu Familie gibt es Unterschiede. Aber allen gemeinsam ist eine Mischung aus verschiedenen Mehlsorten, Eiern, Sirup, Milch, Butter, Anis und Kardamom.
Das ist mein Lieblings-Rezept für Speckendicken, das Peter Lachnicht vom Auricher Hotel Hochzeitshaus für uns kreiert hat:
Ein echtes Wohlfühl-Essen
Traditionell geht es mit dem Backen der Speckendicken schon morgens los und zieht sich in den Tag hinein. Die frischen, noch warmen Speckendicken werden zu Mittag oder an der Silvesterfeier mit der Familie und Nachbarn gegessen. Direkt aus der Pfanne schmecken Speckendicken einfach wahnsinnig gut. Aber auch aufgewärmt sind Speckendicken lecker, nur kalt mag ich sie nicht.
Klingt alles nach einer sehr fettigen Angelegenheit, findest du? Das ist es auch. Deshalb mein dringender Rat: Nicht zu viel essen. In dem Fall ist es auch keine Schande, wenn du nur einen halben Speckendicken schaffst. Wäre doch schade, den Abend zu verpassen. Aber als Grundlage für eine lange Feier sind die ostfriesischen Pfannkuchen natürlich ideal. Der spezielle Mix aus herzhaft und süß, dazu die weihnachtlichen Gewürze – für mich ein echtes Wohlfühl-Essen. Dazu eine Tasse starker Ostfriesentee oder am Abend ein kühles Pils – so rutschen wir rundum satt und glücklich in das neue Jahr.
Winterzeit = Pfannkuchenzeit
In dem es direkt mit einer weiteren Traditions-Spezialität weiter geht: Ostfriesische Neujahrskuchen. Die ‚Neejahrskoken‘ oder ‚Rullerkes‘ sind dünne Eierkuchen mit Anis und Kardamom, man backt sie im Waffeleisen und rollt sie zu einer spitzen Tüte. Das Rezept findest du hier.
Unabhängig von Silvester und Neujahr ist die Winterzeit für mich die Pfannkuchen- und Waffel-Zeit schlechthin. Ob deftige Speckendicken am Jahresende, klassische Apfelpfannkuchen mit Zimt und Zucker, Waffeln in allen Variationen, fluffige Pancakes mit selbst gekochter Marmelade oder auch herzhafte Pfannkuchen mit Käse – alle sind sie schnell gemacht und heiß begehrt bei Groß und Klein.
Willst du deine Lieben einmal mit herzhaften Pancakes überraschen? Inspirationen und Tipps findest du in meiner Rezeptsammlung. Und wer noch mehr über kulinarische Highlights in Ostfriesland wissen will: In meinem Reiseführer ‚Ostfriesland für die Hosentasche‘ habe ich den Spezialitäten meiner Heimat ein eigenes Kapitel gewidmet.
Was ist dein Lieblingsessen an Silvester? Ohne welches Kultgericht kannst du nicht in das neue Jahr starten? Und wie schmecken dir Pfannkuchen am besten? Lass‘ von dir hören! Per E-Mail, über Facebook oder auf Instagram.